Einführungsrede zur Ausstellung von Kirsten von Zech-Burkersroda am Sonntag, 08. Mai 2022 durch

ihren Ehemann Rudolf Graf von Zech-Burkersroda:

 

Guten Morgen, ich bin der Ehemann der Künstlerin und ich habe die Ehre, die Einführung in die heutige Ausstellung zu geben.

 

Man könnte das zum Beispiel so machen :

 

Wir haben es hier mit einem Oevre zu tun, welches scheinbar leise, aber doch mitunter laut, in seinem Duktus prätentiös, einmal das Seiende und einmal das Gewesene in den Vordergrund zu stellen scheint, aber bei aller Strategie nie die Ambivalenz der Gegenwart vernachlässigt. Die Bilder scheinen der existenz- philosophischen Maxime enthoben zu sein, sich ständig neu dem Betrachter präsentieren zu müssen, stattdessen  sind  sie einfach was sie sind, mal von kristalliner Luzidität und dann wieder, als seien sie vom Winde an einen anderen Ort getragen worden, von zerebraler Magie.

 

Halt !! Damit genug ! Ich habe versucht, in diese 7 Zeilen den größtmöglichen Unsinn einzufangen, zu dem die sogenannte Kunstinterpretation zuweilen fähig ist.

 

Stattdessen möchte ich zum Besten geben, was ich „meine unfrisierten Gedanken zur Kunst“ nenne.

 

Meine erste Begegnung mit der Kunst war in der Nachkriegszeit der Begriff Kunsthonig. Das war ein süßer Brotaufstrich, verpackt als Würfel in einer Hülle aus Pappe. Offenbar hat die nach dem Krieg einsetzende Völkerwanderung auch die Bienenvölker erfasst, oder die Imker hatten noch nicht zu alter Form gefunden, jedenfalls gab es Kunsthonig, wobei mir recht bald klar wurde dass die Silbe Kunst gar nichts mit dem eigentlichen Hochbegriff Kunst zu tun hat, vielmehr meint man damit künstlich, genau wie die Begriffe künstliche Hüfte, künstliches Gebiss usw. Dieses künstliche, obwohl es am wenigsten mit Kunst zu tun hat, bringt dennoch, wie man sieht, für ein breites Publikum unverzichtbare Dinge hervor. Man denke nur an Vegetarier und das künstliche Kalbsschnitzel aus Gemüseabfällen. 

Dann begegnete ich noch dem Begriff Kunstgewerbe und erkannte, dass es sich hier um einen höheren Begriff als nur künstlich handelt. Es ist nahe am Handwerk angesiedelt, geht aber schon Richtung Kunst, indem Dinge produziert werden wie irdene Schüsseln oder Krüge auf der Töpferscheibe, Kerzenhalter aus feinem Holz von der Drechselbank oder venezianische Karaffen aus feinem Glas, mundgeblasen. Diese Dinge tragen die Handschrift ihres Schöpfers und sind weit weg von industrieller Produktion. Allerdings für ein breites Publikum verzichtbar, gibt es doch als Ersatz allerlei aus Plastik, welches aber verwirrenderweise auch Kunststoff genannt wird, gemeint ist künstlicher Stoff aus Erdöl.

 

Ich will der politischen Korrektheit halber vorausschicken, dass ich, wenn ich vom Künstler spreche, natürlich auch Künstlerinnen meine und Diverse, also m/w/d, wie es in Stellenangeboten so treffend heißt. Darüber hinaus gilt mein Referat nur der sog. bildenden Kunst, also Bilder aller Art, mit Pinsel, Stift, Radiernadel etc. geschaffen, dazu Skulptur aus Holz, Stahl, Stein, Keramik etc.

Halt ! Landart kommt auch vor.

 

Nun zur richtigen Kunst, zur hohen Kunst, diese ist für einige Menschen unverzichtbar, also ist sie etwas elitäres, ganz anders als künstlicher Honig oder Kunstgewerbe. Die hohe Kunst setzt einen Künstler als Schöpfer voraus. Ich will das erklären, gleichzeitig die Begriffe malerisch und künstlerische Freiheit abdeckend. Malerisch mag man eine Schale mit Obst nennen, oder eine lässig auf einer Liege drapierte Dame in hübschem Kleid und Strohhut. Ich finde malerisch, wenn große gelbe Rollen aus Stroh auf einem abgeernteten Feld drapiert sind, von einem Bauern mit dem Radlader scheinbar zufällig platziert, jedoch kein  Kunstwerk, weil der arme Landwirt eben kein Künstler ist. Es bedarf eines Malers, der die Szenerie auf Leinwand bannt, und schon ist es ein Kunstwerk !

Bei genauem hinsehen stellt man fest, dass der Maler zwar die Anzahl der Strohrollen, nicht aber die Position der einen oder anderen Rolle mit äußerster Präzision eingehalten hat – das nennt man dann künstlerische Freiheit.

Nun kommt ein Landart-Künstler in die Szene, erkennt zwar auch das malerische  Sujet Strohrollen auf dem Feld aber auch dessen amateurhafte Anordnung durch einen Bauern. Er lädt zu einer Kunstperformance, leiht sich den Radlader vom Bauern und platziert die Rollen neu, er hat die Idee, das Sternbild des Orion abzubilden,(mal sehen ob die blöden Kritiker das überhaupt bemerken, denkt er) Nachdem er 18 Rollen gesetzt hat, fällt ihm die letzte, er ist nicht so geübt in der Handhabung des Radladers, von der Schaufel und rollt das abschüssige Feld hinab, kippt auf die Seite und bleibt liegen. Die Kritik überschlägt sich:  Ein Kunstwerk, performance mit happening, (vom Sternbild Orion ist keine Rede).

 

Künstler sind eigentlich Erfinder, indem sie schöpferisch tätig sind, erfinden sie Dinge neu. Im Gegensatz zum Erfinder, der seine Erfindung zum Patent anmelden kann, hat der Künstler diese Möglichkeit nicht, das Patentamt weist ihn ab. Dennoch sind einige ihrer Erfindungen so prägnant, dass sie durch sich selbst vor Nachahmung schützen, ich nenne nur rote und blaue Pferde, Figuren, die auf dem Kopf stehend gemalt sind, also Füße oben und Kopf unten, gemalte Campbell Suppendosen, monochrome blaue Leinwände, viele Nägel in Holz eingeschlagen. Die Liste lässt sich beliebig erweitern. Die Künstler haben ihr Sujet in derart originärer Form gefunden, dass alles, was ähnlich ist, dem Vorwurf des Plagiats, dem Epigonentum ausgesetzt ist. Das macht die Sache spannend und dadurch wird der Kunstbegriff ständig erweitert !! Es gibt aber kleine Fluchtwege, sich dem Vorwurf des Plagiats  oder des Epigonentums zu entziehen : rote und blaue Elefanten, Figuren um 90° geneigt, Suppendosen von Lacroix, monochrome Leinwände in gelb, Schrauben statt Nägel.  Das ist jedoch nicht originell, der wahre Kunstkenner wird die Nase rümpfen.                                                                Die Suche nach dem Originären, treibt seltsame Blüten, es genügt ein  Museumsbesuch oder ein Blick in die einschlägigen Kunstzeitschriften.                      3 Beispiele :  In der Vitrine eines Kunstmuseums in der schönen Stadt Nimes

sah ich Konservendosen, die, wenn man dem Etikett glauben darf, mit Exkrementen des Künstlers befüllt waren, gottseidank geruchsdicht verschlossen. In einer Kunst-Zeitschrift fand ich letzten Monat den Bericht über ein Bild, das ein Bild von Otto Dix, eine Dame auf einem Stuhl sitzend, zeigt, heute neu gemalt, auch auf einem Stuhl, im gleichen rot schwarz karierten Kleid, aber dem Zeitgeist von heute mehr entsprechend ohne Zigarette und mit freundlicherem Gesicht. Ein Professor für Kunstwissenschaft hat darüber eine ganze Seite Text verfasst.                                                                  Ein anderer Bericht von neulich handelte von einem Kunstwerk, welches unsichtbar war und für einen vierstelligen Dollarbetrag vom Künstler verkauft wurde. Auf die Frage des Käufers, warum das Werk unsichtbar sei, erwiderte der Künstler, es sei nicht unsichtbar, sondern nur nicht sichtbar.

Spätestens hier wurde mir klar: In der Kunst ist alles erlaubt. Alles !!!

Aber wenn alles erlaubt ist, ist dann nicht alles Kunst ???

Nein, eben nicht, es bedarf des Künstlers ! Aber wenn alles erlaubt ist, sind dann nicht alle Menschen Künstler ? Joseph Beuys hat einst diesen Begriff ins Spiel gebracht.

Ich widerspreche, nein, nicht alle Menschen sind Künstler.

Es gibt die Künstler, die Kunstsinnigen / Kunstbegeisterten und die ohne Kunst.

 

Der Künstler nimmt die Welt in einer eigenen Art wahr und erfindet sie neu, indem er einen Schöpfungsprozess anstösst, dem er sich nicht entziehen kann. Er hat ständig den Impetus, Kunst zu schaffen. Er sieht wie ein Blatt vom Baum in das am Boden liegende Laub fällt. Daraufhin malt er ein Bild, es wird ein abstraktes Gemälde.

 

Der kunstbegeisterte hat diesen Impetus zum schöpferischen nicht, aber seine Blicke sind ständig auf der Suche nach Kunst, er umgibt sich mit ihr, er mag nicht ständig ins Museum gehen, er kauft, er sammelt, er füllt seine Wohnung mit Kunst, zuletzt hat er  keinen Platz mehr, er gründet eine Stiftung und baut ein Museum, was er nie wollte.

Der kunstsinnige kauft schließlich das Bild, das der Künstler infolge des fallenden Blatts auf das am Boden liegende Laub gemalt hat, es ist ein abstraktes Gemälde, täglich erfreut es den Käufer, er ist in die Betrachtung versunken und eines Tages assoziiert er in den Windungen seines Gehirns und auf den Bildern seines inneren Auges ein Blatt, das vom Baum ins Laub fällt. In diesem magischen Moment ist eine Verbindung zwischen Künstler und Betrachter entstanden, auf geheimnisvolle Weise, magisch ! Der schöpferische Akt und der betrachtende Akt ein reziproker Vorgang ?

 

Der ohne Kunst interessiert sich nicht für Kunst, seine Wände sind dekoriert mit Katzenbildern aus einem Kalender vom letzten Jahr. Was macht er, wenn er sieht, wie ein Blatt vom Baum in das am Boden liegende Laub fällt? Er fährt in den nächsten Baumarkt und kauft sich einen Laubbläser.

 

Ein Wort zum banalen in der Kunst.

Wenn ich einen Stock in einen Marmeladeneimer stecke, ist das erstens keine Kunst und zweitens banal. Wenn ein Künstler einen Stock in einen Marmeladeneimer steckt, ist das zwar Kunst aber dennoch banal. Die Gefahr liegt darin, dass die sogenannten Kunstkritiker und Kunstinterpreten das Banale leugnen und stattdessen Inhalte und Botschaften herbeireden, die gar nicht existieren. Ein Stock in einem Marmeladen-Eimer hat weder eine politische Botschaft  noch ist es eine sozialkritische Aktion. Eine Stilblüte aus den Programmsprüchen zur kommenden Dokumenta 15.                         Da heisst es: „Kunst fußt auf Grundsätzen wie Kollektivität, gemeinschaftlichem Resourcenaufbau und gerechter Verteilung“ . Haben Sie das verstanden ? Seien wir wachsam und lassen wir uns nicht betrügen. Ist es ein Zufall, dass die Begriffe „die Biennale“ und „das Banale“ ganz ähnlich klingen ?  Oh Gott - das habe ich nicht gesagt !!

 

Unterschied zwischen Jäger und Künstler:

 Der Jäger erlegt den anstreichenden Fasan indem er den Lauf

seiner Flinte binnen Sekunden auf das Wild richtet, mit dessen Flug mitschwingt und dann in einer Koordination von Gehirn, Auge und Abzugsfinger innerhalb von Sekundenbruchteilen den Schuss löst. Sein Werkzeug ist die Flinte mit Patronen, er jagt um zu essen. Er braucht ein Jagdrevier, in dem Wild vorkommt.

Das Werkzeug des Künstlers ist die Leinwand, die Farbe oder das Material, der Pinsel, Hammer und Meißel, sein Abzugsfinger ist die das Werkzeug führende Hand,

Er schafft sein Werk, indem er in einer Koordination von Gehirn, Auge und Hand nicht binnen Sekundenbruchteilen sondern binnen Stunden oder Tagen oder gar Wochen das Werk zu Ende bringt. Der Künstler schafft um zu essen. Er braucht keinen Jagdschein. Er genießt totale Freiheit !   Sein Revier ist die ganze Welt !!

Der z.Zt. höchstbezahlte deutsche Künstler Gerhard Richter, wurde gefragt, wie er wisse, wann ein Bild fertig sei. Er erwiderte, ich male so lange bis es mir gefällt. Das heißt:  die Koordination von Auge, Hirn und Hand ist in einer ständigen Unruhe,

in einer ständigen Bewegung, mal geht es schnell, mal dauert es Tage, und dann ist schließlich der magische Moment erreicht: das Gehirn kommt zur Ruhe, die Augen leuchten und die Bewegung der Hand kommt zum Stillstand. Das Werk ist vollendet.

 

Warum gefällt uns ein Kunstwerk ? Zuerst muss man das Sujet mögen, die Farben und das Format. Wer Kühe nicht mag, kauft sich kein Bild mit Kühen. Dann habe ich von dem magischen Moment gesprochen, in dem eine Verbindung zwischen Künstler und Betrachter entsteht, der Glücksmoment des Künstlers im Moment der Fertigstellung seines Werks teilt sich dem Betrachter mit, nicht nur momentan sondern immer und immer wieder. Das Gehirn kommt zur Ruhe, die Augen leuchten.

Man muss das das Werk nicht erklären. Es lässt sich nicht erklären, stattdessen entsteht eine magische Beziehung.

Kunst überdauert versunkene Epochen, denken Sie an Höhlenmalereien längst untergegangener Stämme, an antike Fresken, an Mosaiken aus Pompeji. Epochen und Orte sind vergangen, übriggeblieben ist die Kunst, sie hat alles überlebt.

 

Ich habe noch einen Tipp für Künstler, die mit einem großen Artikel in einem der Kunstmagazine erscheinen wollen: Schaffen Sie eine Installation, möglichst riesig, in knalligen Farben, mit Lichteffekten und Geräuschen, z.B. von einem Endlostonband.

 

Und ein Tipp für Kunstkäufer: kaufen Sie keine riesige Installation in knalligen Farben mit Lichteffekten und Geräuschen vom Endlostonband. Sie kriegen das gar nicht in ihre Wohnung, die Treppe ist zu eng, und selbst wenn sie es schaffen, das Ding frisst Strom und das Endlostonband geht Ihnen bald auf die Nerven.

Kaufen Sie nie ein Bild mit einer Suppendose, es sei denn eine Campbell für 14 Mio Dollar, dann kaufen Sie es, hängen es in den Salon, bis die Kinder es in die Küche hängen, lassen Sie es dort bis die Familie sich beschwert : warum gibt es nur noch Tomatensuppe ? Dann geben Sie das Bild in eine Auktion, erzielen 18 Mio Dollar, vom Gewinn 4 Mio kaufen Sie sich ein Schloss in Frankreich, am besten möbliert, mit Deckengemälden, Tapisserien und vielen Bildern, Sie werden es nicht bereuen !

 

Und jetzt komme ich endlich zur Ausstellung meiner Frau. Die Überschrift lautet „Bilder von gestern und heute“. Also eine Art kleine Retrospektive. Das hat folgende Bewandnis : Wir werden in absehbarer Zeit Reutlingen verlassen und nach Sachsen-Anhalt in den ehemaligen Besitz meines Vaters ziehen. Das heißt, dies ist eine Abschiedsausstellung !

Ich habe vorhin meine Meinung ausgeführt, dass man Bilder nicht erklären soll und dass ein Bild auch keiner Erklärung bedarf, dass stattdessen im Idealfall eine magische Beziehung  zwischen Betrachter und dem Kunstwerk und damit indirekt auch dem Schöpfer des Werks entsteht. Statt Erklärung erlaube ich mir den Begriff Erläuterung:

 

Meine Frau hat ein Kaleidoskop von Figuren erfunden und spielt mit diesen auf der von ihrer Fantasie beflügelten Weise, ich mache es mir leicht und zitiere aus den Pressetext:

Geheime und rätselhafte Figuren, die in immer wieder neuen Bildsituationen auftauchen. Mischwesen aus Tier, Mensch Engel und Schatten oder ungewöhnliche Zeitgenossen wie z.B. der Gelbe und sein Diener, die Unbeirrbaren, die mit den Roten,

dazu der Komponist Eric Satie und seine Entourage, der grausame Ubu,roi . Neuester Figurenzuwachs sind der Künstler und seine Freunde. Vieldeutig, geheimnisvoll und poetisch ist das gesamte Zech’sche théatre peinture.

 

Aus dem neuen Schaffen für diese Ausstellung sind die Rabenkrähen und andere Vögel, die mit eigenen Texten oder mit bruchstückhaften Zitaten aus der Weltliteratur versehen sind, eine Dualität, welche unsere Fantasie herausfordert. Die neue Malerei heißt „Der Künstler und seine Freunde“, mal davonfliegend, mal alle an einem Tisch versammelt, die Speisen scheinen schon verzehrt, die Stimmung ausgelassen und gottlob gibt es noch reichlich Wein, teils im Glase und bedauerlicherweise teils auf dem Tischtuch. Doch ein aufkommender Sturm und das ungebetene Erscheinen des bösen König Ubu sorgen für Auflösung der friedlichen Idylle.

 

 

So verabschiedet sich mit der heutigen Ausstellung dieses théatre peinture aus Reutlingen,  und jetzt geht der Sales Manager mit mir durch : noch haben Sie Gelegenheit, ein Andenken an die Künstlerin zu erwerben, in Zukunft werden Atelier und Bilderdepot 500  km von hier entfernt sein.

 

Damit ist die Ausstellung eröffnet !