derzeitige Ausstellung :
Elke Roth
"metaphysische Landschaft"
vom 28.09. bis 24.10.2025 in der Produzentengalerie Pupille
Eröffnung: Sonntag, 28.09.2025, 11 Uhr
Finissage: Freitag, 24.10.2025, 15 Uhr
Elke Roth – „Metaphysische Landschaft“
Eine Rauminstallation
Produzentengalerie Pupille 28. September bis 24. Oktober 2025
Einführungsrede von Florian Stegmaier
Elke Roth hat den Galerieraum der Pupille in eine begehbare Installation verwandelt. Eine Installation, die unter einem bestimmten Titel steht, der wie jeder
stimmige Titel uns zumindest erste Zugänge, erste Wege der Vermittlung eröffnen kann und sogar im Kern so etwas wie ein ästhetisches Programm enthält. Die Künstlerin nennt ihre Ausstellung eine
„metaphysische Landschaft“. Und verweist uns mit diesem Titel darauf, dass es hier wohl um dasjenige geht, was hinter oder jenseits der nur physischen Verfasstheit liegt. Und dieser
meta-physische Aufbruch, diese Suche nach den vermeintlich letzten Dingen, ist im Rahmen einer Landschaft angesiedelt.
Was macht eine Landschaft aus? Spontan denke ich dabei an die gliedernde Linie eines Horizonts, der eine Schwelle markiert. Eine Schwelle nämlich zwischen Oben und
Unten, zwischen Himmel und Erde – und damit auch zumindest symbolisch zwischen dem Irdisch-Physischen und dem Himmlisch-Geistigen.
Womit wir auch schon mittendrin in der Kunst von Elke Roth sind. Ich möchte hier nämlich tatsächlich von einer „Schwellen-Kunst“ sprechen und Ihnen in den folgenden
Minuten versuchen darzulegen, was ich damit meine und wie wir uns als Betrachter dieser Kunst nähern können.
Wir können als eine erste ästhetische Schwellenerfahrung uns einlassen auf die unübersehbar uns entgegentretende Motivik, die recht ostinat um Vögel, um vogelartige
Wesen kreist. Vögel, das sind Mittler und Botschafter zwischen Himmel und Erde, zwischen Diesseits und Jenseits. Sie fungieren zudem als hochsensible Sinnes-Wesen. Daher gelten sie in der
Mythologie auch als Verlängerung des menschlichen Inneren in die Außenwelt.
Für diese im eigentlichen Sinn mediale Qualität stehen etwa die beiden Raben ein, die als Attribute dem nordischen Gott Odin zugehören. Hugin und Munin fliegen
morgens los, erkunden die Welt; abends kehren sie zurück und flüstern Odin zu, was sie gesehen und gehört haben. Hugin steht für die Gedanken, Munin für die Erinnerung und zusammen verweisen sie
auf das Streben nach Weisheit und Wissen Odins. Und ich denke, dass in diesem Vorgang des Aussendens innerer Anteile in die sinnlich wahrnehmbare Welt hinein und die reflektierte Zwiesprache nach
ihrer erfahrungsgesättigten Rückkehr tatsächlich ein Urbild genuin ästhetischer Erfahrung zum Ausdruck kommt – dazu gleich mehr.
Nun ist es aber zum Glück nicht so, dass man die Vielzahl der hier versammelten mythologischen Verweise alle kennen und rational fassen müsste, um Zutritt zu Elke
Roths metaphysischer Landschaft zu erlangen. Ebenso wenig ist es erforderlich, die spezifischen kulturellen Codes zu entschlüsseln, das das hier entfaltete ethnologische Repertoire fraglos in
beeindruckender Fülle bereithält.
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Vielmehr verlässt sich Elke Roth in ihrer Arbeit auf die Kraft dessen, was man gerne als Archetypen bezeichnet, auf die Kraft eines archetypischen Gehalts, den sie
mit ihren Skulpturen und Objekten aktiviert. Somit eröffnen ihre Werke einen Zugang zu einer kollektiv geteilten, meist unterbewussten Schicht der Zeichen, Urformen und Symbole, deren Sinnvorrat
unabhängig vom jeweiligen Vorwissen oder kulturellen Hintergrund je individuell erfahrbar werden kann.
Wir müssen also – um Ihnen ein konkretes Beispiel zu zeigen – nicht zwangsläufig mit der spirituellen Funktion der Calao genannten Figuren der Senufo-Kultur
vertraut sein, um mit Elke Roths Tonfiguren in Dialog zu treten, die eben diesen westafrikanischen vogelartigen Wächterfiguren nachempfunden sind. Im Gegenteil: für unsere ästhetische Wahrnehmung
ist es sogar förderlich, wenn wir diese Plastiken nicht mit Expertenblick klassifizieren und gleich wieder abhaken – sondern wenn wir uns offen, vorurteilsfrei, ich möchte sagen: im positiven
Sinne ganz naiv auf sie einlassen – und so mit unserem Blick auf die Figuren auch deren Gegenblick auf uns zulassen. Wenn wir uns also fragen, wie diese hybriden Wesen wohl uns wahrnehmen – wie
diese Gestalten auf uns blicken, die doch gerade in ihrer charakteristischen Mittellage zwischen menschlicher Gestalt und einer fremden, wiederum vogelartigen Erscheinungsform, einen besonderen
Status im metaphysischen Bezirk einzunehmen und insbesondere dem sensiblen Bezirk der Schwelle zugehörig scheinen.
Ebenso können wir uns vertrauensvoll auf den allegorischen Aspekt dieser Installation einlassen. Allegorie – das ist die Kunst des Anders-Sagens. Eine Kunst, die
Elke Roth als Bildhauerin zum Anders-Zeigen, Anders-Formen erweitert und uns etwa eine zwischen Himmel und Erde schwebende Gestalt vor Augen führt, die in ihrer fließenden, schleierartigen
Anmutung durchaus als Allegorie des Traums gelten kann. So wie die Künstlerin überhaupt die gesamte Installation als Traum, als Traumgeschehen oder traumartigen Zustand versteht.
Was absolut schlüssig ist. Denn bei all dem Wogen der Bilder und Formen, die sich während des Träumens einstellen, ist diese nächtliche Bildwelt doch keinesfalls
ohne Regeln. Der Traum – und das wissen wir alle aus eigener Erfahrung – der Traum ist ein Symboliker. Der Traum schafft Sinnbilder. Eindrücke, die während des wachen Lebens an uns herangetreten
sind, kleidet der Traum in ein neues imaginatives Gewand, das selbst vermeintlich abstrakten Zusammenhängen oft eine eindrucksvolle bildliche Prägnanz verleiht.
Und wir erkennen an diesem Traumgeschehen, wie dann, wenn die wachen Sinne zurücktreten und die Traumbilder beginnen in Aktion zu treten, wie sich dann etwas
Schöpferisches für den Menschen Geltung zu verschaffen beginnt. Schlaf und Traum – ebenfalls Zustände, sogar essenzielle Aspekte unserer Existenz, in denen wir uns regelmäßig zwischen Himmel und
Erde befinden und in denen wir etwas von einer metaphysischen, vom Körper ein wenig losgelösten Weise der Existenz erfahren. Zustände, in denen wir inmitten unserer imaginativen Bilder leben und
von diesen bildhaften Eindrücken dann manches wieder ins Wachbewusstsein mitnehmen. So verdanken auch einige der hier zu sehenden Exponate ihre Gestalt Bildern und Eindrücken, die bereits im
Traum geschaffen wurden. Etwa die aus einer groben Leinwand gestaltete Form, die uns in dem mittig gehängten Exponat aus der Bildebene entgegentritt und wiederum eine vogelartige Gestalt
raumgreifend umschreibt.
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Der Verweis auf den Traum und seine bilderzeugende schöpferische Kraft wirft auch die Frage auf: wer oder was bringt eigentlich diese Mannigfaltigkeit der Formen
hervor? Damit stelle ich nicht die Autorschaft der Künstlerin in Frage. Ich frage vielmehr nach der Quelle, nach dem Ursprung dieser gestaltenden Kraft. Eine Frage, die uns wiederum ins
Metaphysische führt. Es ist sicher ein wichtiges Verdienst dieser Installation, wenn sie uns sensibilisiert, wenn sie unsere Aufmerksamkeit auf die erstaunliche Weisheit lenkt, die gerade den
Formen der Natur zugrunde liegt. Eine planvolle, als gestaltende Kraft sich entfaltende Weisheit, die wir etwa am Bau der Knochen und Schädel von Mensch und Tier ablesen können.
Insofern nenne ich Elke Roths Installation auch Schwellen-Kunst, als sie beide Seiten aktiviert, und so die Schwelle zum Übergang macht. Also nicht nur unsere
Imagination in Gang bringt und uns damit Richtung metaphysischen Raum bewegt, sondern auch diejenigen plastizierenden und bildhauerischen Kräfte aufzeigt, in denen das Geistige am Physischen ganz
konkret arbeitet und so auch für die diesseitige sinnliche Erfahrung offenbar wird.
Und das heißt auch: wir dürfen wieder staunen lernen. Auch darüber, dass sich diese lebendige Kraft des Geistigen gerade dort am deutlichsten manifestiert, wo
scheinbar totes Material zu sehen ist: etwa in Elke Roths karbonisierter, also kunstvoll verkohlter Holz-Stele oder ihren Knochen- und Schädelobjekten. Das sind Objekte, die in ihrer Todesnähe
einen existenziellen Nullpunkt markieren – einen Nullpunkt, der aber kein Ende, kein Abschluss, sondern einen Durchgang, einen Wendepunkt bezeichnet.
Es ist bekanntlich wiederum ein gefiedertes Wesen, der Vogel Phönix nämlich, der sich aus der toten Asche erhebt und aufs Neue belebt nach oben steigt. Und so sind
es gerade Elke Roths mortifizierte Arbeiten, die ihr vitales Gegenbild aufrufen. Es ist der Anblick des vermeintlich Toten, der unsere imaginative Kraft entzündet und lebendige Bilder innerlich
auferstehen lässt.
Mir ist bewusst, dass solche Überlegungen – etwa von Tod und Auferstehung – und auch die von mir dafür ganz bewusst gewählte Ausdrucksweise eventuell anwesenden
Materialisten einige Zumutungen bereiten können. Wofür ich mich aber keineswegs entschuldigen möchte. Denn wer sich auf die Kunst einlässt, kommt nicht umhin, sich eben diesen Signaturen der
Schwelle zu stellen.
Es geht mir darum, darauf hinzuweisen, dass Elke Roths metaphysische Landschaft für uns zu einem begehbaren Erfahrungsfeld werden kann, zu einem persönlichen
Resonanzfeld, das wir gleichermaßen physisch wie auch innerlich, seelisch beschreiten können. Eine innere Landschaft, in der wir die Vorgänge von ästhetischer Hervorbringung und ästhetischer
Wahrnehmung in ihrem schöpferischen Wechselspiel ganz bewusst erleben können.
Denn ein solches ästhetisches Erleben, das nicht nur Privileg der Künstlerin, des Künstlers ist, sondern auch wesentlich für die Betrachter sein wollte – und das
sich von einem rein konsumistischen Beschauen grundlegend unterscheidet – ein solches ästhetisches Erleben führt zwangsläufig an eine Schwellensituation. Denn es ist nicht allein die Künstlerin,
die hier etwas von sich in ihre Werke hineinlegt. Auch die von uns aktiv vollzogene ästhetische Betrachtung ist identitäts- und beziehungsstiftend.
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Insofern es gerade mein Blick ist, es meine innere Aufmerksamkeit ist, die das Kunstwerk zu aktivieren vermag und sich zwischen mir und dem Werk eine Form der
Resonanz einstellt, die ich dann so erlebe, als träten mir aus dem betrachteten Werk auch Anteile meiner Selbst entgegen. Und eben diese ästhetisch reflektierte, aber auch ungeschminkt
authentische Begegnung mit dem je eigenen Wesen – das ist eine untrügliche Signatur der Schwelle zwischen physischer und metaphysischer Welt.
Und eben das, davon bin ich überzeugt, ist in Elke Roths zentraler Installation zu erleben – aber auch im Gegenüber mit ihren Materialbildern, die sie unter den
Titel „Raumzeit“ gestellt hat. Als Verlängerung ihrer bildhauerischen Arbeit bricht sie in dieser Werkgruppe „Raumzeit“ den physischen, den erdverhafteten Raum auf und eröffnet Durchgänge,
Durchblicke auf den geistig zu erfahrenden Raum dahinter.
Indem nun Elke Roth als Bildhauerin die Möglichkeiten der plastischen Formgebung dahingehend erweitert, dass sie mit ihrer Kunst nicht nur totes Material ergreift,
sondern im Gesamtgefüge ihrer Installation und Materialbilder auch menschliche, seelische Substanz zu aktivieren sucht, öffnet sie uns als Betrachter die Chance, unser imaginatives Potenzial zu
entfalten und vermittelt durch das Medium der Kunst diejenigen Bezirke zu erkunden, die zwischen Himmel und Erde, diesseits und jenseits der Schwelle liegen – und uns letztlich ins eigene Innere
führen.
Vielleicht reizt es Sie ja, genau dahin aufbrechen – am besten in Ruhe und Kontemplation an einem der folgenden Ausstellungstage.
nächste Ausstellung :
Roswitha Zeeb & Renate Zeeden
"Farbe - Druck - Papier"
vom 02.11. bis 23.11.2025 in der Produzentengalerie Pupille
Ausstellungen 2025 in der Pupille:
12. 01. bis 09.02.2025 Jahresausstellung der Kunstschaffenden
16. 02. bis 09. 03. 2025 Günther Sommer: Rituale? Rituale!
16. 03. bis 06. 04. 2025 Ulrike Holzapfel, Jochen Warth: "In the beginning"
10. 04. bis 27. 04. 2025 "Zeiten und Räume", Pupillekunsttreibende stellen in der Klosterkirche Pfullingen aus
13. 04. bis 11. 05. 2025 "Perspektivwechsel" Sebastian Lorenz
23. 05. bis 15. 06. 2025 "alles in einem" Renate Quast
27. 06. bis 27. 07. 2025 " Vom Ganzen zum Detail" Szolnoker Künstlerin Csenge Barbara Oláh zusammen mit der Stadt Reutlingen
04. 08. bis 31. 08. 2025 "durch/einander & mit/macht" - Ulrich Koch
28. 09. bis 24.10. 2025 "metaphysische Landschaft" - Elke Roth
31. 10. bis 02. 11. 2025 "Kunstbetrieb" Kunstmesse im Alten Lager Münsingen - BT 24
02. 11. bis 23. 11. 2025 "Farbe - Druck - Papier" Roswitha Zeeb und Renate Zeeden
30. 11. bis 21. 12. 2025 "Gratwanderung" Ingrid Swoboda & Barbara Wünsche-Kehle
Ausstellungen 2026 in der Pupille:
11. 01. - 08. 02. Mitgliederausstellung
15. 02. - 08. 03. Gudrun Heller-Hoffmann
17. 03. - 19. 04. Gastausstellung: große Stipendiatenausstellung Stadt Reutlingen
26. 04. - 17. 05. Hans Gunsch mit Gast Junkyu Lim "Horizont"
07. 06. - 28. 06. Gastausstellung: Rolf Naedler und Paolo Moretto vom Kunsthaus Begedorf, Hamburg
05. 07. - 26. 07. Gemeinschaftsausstellung von Pupille-Mitglieder zum Thema 300 Jahre Reutlinger Stadtbrand
02. 08. - 30. 08. noch offen
06. 09. - 27. 09. Regine Krupp-Mez und Wolfgang Schaller
04. 10. - 25. 10. Kirsten von Zech-Burkersroda
01. 11. - 22. 11. Ulla Frenger und Jutta Peikert und Gäste
29. 11. - 20. 12. Izumi Yanagiya
Ausstellungen 2027 :
19. 03. 2027 - 18. 04. 2027 Kloster Benediktbeuern
Ausstellungen 2024 in der Pupille:
14. 01. 2024 bis 11. 02. 2024 Mitgliederausstellung - "vielschichtig"
25. 02. 2024 bis 17. 03. 2024 Christine Dohms - "Lightscapes"
07. April bis 28. April 2024 Jochen Meyder "Im Dialog mit Landschaft"
05. Mai bis 26. Mai 2024 Xenia Muscat "Von
Anfang bis Ende"
02. 06. 2024 bis 30. 06.2024 Beatriz Schaaf-Giesser "work in progress"
07. 07. 2024 bis 28. 07. 2024 Gisela List "Drucksache"
04. 08. 2024 bis 01. 09. 2024 Gastausstellung Budapester Künstler "Sensaria"
15. 09. 2024 bis 06. 10. 2024 Gabriele Seeger "Randgebiete"
25. 10. 2024 bis 10. 11. 2024 Karl Striebel "etwas bleibt"
17. 11. 2024 bis 22. 12. 2024 Brigitte Tharin "Asche - Blütenstaub des Todes"
KunstBetrieb 2024 im Albgut Münsingen - Kulturwerkstatt BT 24 01.11. - 03.11.2024
Helmut Anton Zirkelbach
Uracher Str. 25
72829 Engstingen
E-Mail:helmzirkelbach[at]outlook.de
Renate Vetter
Silberdistelweg 22
72770 Reutlingen
E-Mail:renate.vetter@t-online.de
Kunstbetrieb 2022 im
Albgut Münsingen,
hier der Link zum Video:
Link zum RTF1-Fernsehbeitrag über die Ausstellung "Visionen in Weiß"
KunstBetrieb 2021 im Albgut Münsingen, Link zum Video der Vernissage:
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