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27. 06. 2025 bis 27. 07. 2025
Helm Zirkelbach
Einführungsrede zur Ausstellung
„alles in einem“
Renate Quast
23.05. – 15.06.2025
Produzenten Galerie Pupille, Reutlingen
Fried Dähn – Electric Cello Bernd Settelmeyer – Drums & Percussion
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde, Liebe Renate,
sehr herzlich heiße ich sie willkommen an diesem für die Pupille ungewohnten Eröffnungstag, heute Freitagabend. Nun Renate Quast ist immer gut für Überraschungen, so hat sie schon während der
Pandemie die Galerieräume der Pupille verwandelt und tut dies nun erneut mit völlig neuen Arbeiten, die alle extra hierfür entstanden sind und indem die Galerieräume zum Kosmos der Künstlerin
Renate Quast werden. Herzlich Willkommen, also zu dieser Schau, die Wiedersprüche nicht auflöst, sondern feiert. „alles in einem“ so der Titel und dieser wirkt wie ein Versprechen: Jedes Werk
hier trägt das ganze in sich, wie ein Splitter, der noch den ganzen Spiegel kennt.
Ein besonderer Willkommensgruß gilt unseren heutigen Musikern, Dem Duo Dähn – Settelmayer, Fried Dähn am „electric Cello“ und Bernd Settelmayer am Schlagzeug. Ich freue mich sehr über diese
musikalische Bereicherung.
Und so beginne ich mit der Rauminstallation „Das Unfassbare“ gleich hier im vorderen Raum. In dieser Installation verschmelzen fragile und stabile Elemente zu einem vielschichtigen Dialog über
Vergänglichkeit, Halt und die Flüchtigkeit des Moments.
Ein Lot und ein alter Schlüssel hängen am dünnen Faden von der Decke – beide treffen präzise auf ihre eigenen Spiegel. Während das Lot als klassisches Symbol der Senkrechten, der Ausrichtung und
des physikalischen Maßes wirkt, verweist der Schlüssel auf etwas Verborgenes, auf Zugänge, die vielleicht längst verloren sind. Beide Objekte verdoppeln sich in ihren Spiegelbildern, als stünden
sie zwischen zwei Welten: der greifbaren und der entrückten.
An der Wand montiert zwei Spachteln, wie Fragmente einer verborgenen Erzählung, möglicherweise verteilen sie eine unsichtbare Haut, die von Vergangenem oder zukünftigem zeugt. Auf dem Boden
liegend ein rostiger Bootsanker, ein Flügelanker, Symbol für Standhaftigkeit und Sicherung – doch sein Kontext bleibt rätselhaft. Was hält er fest? Was droht zu entgleiten? War er es, der die
Ostsee-Pipeline zerstörte? Sicher nicht!
Darüber formen schwarze Pflanzenstäbe auf Podesten ein igelartiges Gewirr, ineinander verkeilt, als suchten sie Halt im Chaos. Silbrig schimmernde Staniolkugeln liegen auf weiteren Spiegeln,
reflektierend und zugleich zerbrechlich. Sie wirken wie gefrorene, gepresste Tropfen der Zeit, die jeden Augenblick zerrinnen könnten. Das Alupapier sammelte die Künstlerin über einen langen
Zeitraum und formte es mit den Händen zu brüchigen Kugeln. Das Fenster im Hintergrund mit riesenhaften silbrigen Mülltüten verhangen.
„Das Unfassbare“ lotet die Spannung zwischen Verankerung und Auflösung aus – eine Meditation über das, was sich unserer Greifbarkeit entzieht. Der Schlüssel, der vielleicht nichts mehr öffnet,
das Lot, das eine Richtung weist, die doch ins Ungewisse führt. Alles scheint in Schwebe: zwischen Festigkeit und Auflösung, zwischen Sinn und Rätsel. Und die schwarzen Hausschuhe? Wer
weiß…
Und folgt der Sprung in den großen Galerieraum, Zur Wandinstallation „Die Invasion“
Gedanken sind der erste Akt der Schöpfung – sie formen sich lange vor dem ersten Schnitt ins Holz, vor dem Druck auf das Büttenpapier. In dieser Arbeit verdichtet sich eine innere
Auseinandersetzung zu Bildern der Gewalt, der Bedrohung, des Eindringens.
Die Holzschnitte, teils rund, teils eckig, scheinen sich vom Untergrund zu lösen. Einige schweben wie Flugobjekte im Raum, Drohnen oder Bomben gar? – stumme Zeugen einer unsichtbaren Gefahr. Ihre
Binnenzeichnung besteht aus zerfurchten sich überlagernden weißen Schnittlinien, sie hängen in der Schwebe, überlagern sich wie Luftballons, als warteten sie auf ihren Moment des Platzens oder
des Einschlags. Am unteren Rand der Installation drängen sich Drucke wie Häuserzeilen, zerrissen, brennend, in abstrakter Auflösung. Architektur wird zur Wunde, Urbanität zur Ruine. Ob in der
Ukraine oder in Gaze, jeden Tag die Bilder im Fernsehen, lassen sie uns machtlos und müde zurück.
Die Künstlerin Renate Quast beginnt mit dem Gedanken, dann folgt der Dialog mit dem Material: das Holz, das sich widerständig schnitzen lässt, das Papier, das die Farbe hungrig aufsaugt. Erst am
Ende entsteht die Komposition – eine Anordnung, die nicht nur die Wand im Raum besetzt, sondern auch Fragen stellt. Was dringt hier ein? Und was bleibt, wenn die Invasion vorüber ist?
Ich denke an das brennende London von William Turner, oder an die Bilder des 11. September 2001, man konnte sich diesen schrecklichen Bildern nicht entziehen. William Turners „The Burning of the
Houses of Lords and Commons“ (von 1835) und die Terroranschläge von 9/11 verbindet eine Spannung zwischen Horror und Erhabenheit. Beide Ereignisse zeigen Zerstörung als ästhetisches Spektakel:
Turner inszeniert das brennende Parlament in gold-rotem Licht, das sich im Wasser spiegelt – ein „delightful horror“ (Burke), der einen zwischen Faszination und Entsetzen schwanken lässt. Auch
die Bilder der einstürzenden Twin Towers wirken zugleich schockierend und surreal schön. Medien ästhetisierten das Unfassbare, ähnlich wie Turner. Doch während Turners Feuer als Naturgewalt oder
Metapher gilt, steht 9/11 für gezielten Terror. Beide Ereignisse stellen die Darstellbarkeit von Katastrophen infrage: Turner löst Architektur in Farbe auf, 9/11 schafft ein neues „Erhabenes“ –
eine Ästhetik des Schreckens.
„Die Invasion“ aber, die spielerisch angeordneten Holzdrucke von Renate Quast sind kein politisches Manifest, sondern eher ein ästhetisches Echo. Sie zeigen keine konkreten Kriege, sondern die
abstrakten Spuren, die Gewalt in der Vorstellung hinterlässt – lange bevor sie Wirklichkeit wird.
Liberale Demokratie
Renate Quast ist im Stande und ringt den einfachsten Dingen wie Kabelbindern eine politische Aussage ab. So könnte über dem Haufen von Kabelbindern auf dem Podest liegend stehen: „Demokratie ist
die Kunst, sich an den eigenen Wiedersprüchen nicht zu strangulieren“: Ein Haufen gebrauchter Kabelbinder, achtlos verknäult, aber auch in strengen Linien und Schlaufen geordnet, wird zum
Sinnbild einer liberalen Demokratie im Spannungsfeld zwischen Kontrolle und Freiheit. Kabelbinder sind das heimliche Symbol moderner Regierungsführung – unscheinbar, allgegenwärtig, unerbittlich.
Sie halten zusammen, sichern Kabel, fesseln Demonstranten, halten politische Plakate an Lichtmasten fest. In ihrer gebrauchten Form werden sie zum Archiv ihrer Disziplinierung. Die Ironie dabei,
alles ist festgebunden, nur die Bedeutung schwimmt davon. Die
Installation spielt mit der Absurdität, dass Demokratie sowohl Ordnung braucht als auch deren Überschuss fürchtet. Die schwarzen Plastikstreifen wirken wie ein minimalistisches Denkmal für
Bürokratie und Überwachung – aber auch für ihre eigne Vergänglichkeit.
Zur Arbeit „Chaos wird Ordnung“
Sechs Radierbahnen auf Bütten hängen vertikal an der hinteren Wand, als wäre sie eine virtuelle Partitur, wäre Renaste Quast John Cage, hätte sie diese Arbeiten an unsere beiden Musiker als
Notenblätter ausgehändigt und gesagt, now play!
4 mal Knochenschwarz, archaisch wie verkohlte Runen und 2 mal Kardinalrot, pulsierend wie Arterienblut, die Roten Radierungen in der Mitte, so hängen sie wie ein Chromatisches Grundgesetz.
Auf allen Tiefdrucken, Urwirbel, Linienbündel verheddern sich wie erste Gedanken. Kollision, Punkte explodieren zu Flächen. Katharsis, Zickzackbahnen brechen durchs Bild, Elektrizität sucht Erde,
Resolution, Wollknäul entwirren sich zu Hieroglyphen und werden lesbar.
Die Radiernadel wird hier zum seismographischen Stift: Sie ritzt nicht, sie Protokolliert! Chaos wird Ordnung, ist keine Behauptung, sondern ein Prozess, die sechs Bahnen zeigen keine
Transformation, sondern sie sind die Transformation. Ich empfehle – ganz nah ran gehen, bis auf 20 cm Abstand! Dann enthüllt sich das Mysterium, jede Linie ist wie der Schatten einer Frage, die
sich quer durch die Radierbahn zieht.
Übrigens, was das für eine Arbeit, mit einer kleinen Presse so eine Bahn mit unterschiedlichen Platten zu drucken, das glauben sie nicht, noch dazu sind dies Unikate, also schnell
zugreifen!
Und zu guter Letzt zur großen Installation direkt hinter mir, die Arbeit:
DURCHBRÜCHE, VOR + ZURÜCK: Ein Meer leuchtend roter kleiner Tonobjekte überspannt alle drei Wandabschnitte – eine Art eruptive Topographie des Unfertigen. Jedes Stück ein eigenes Universum: hier
eine erstarrte Schlange mit Löchern, dort zerklüftete kleine Köpfe, dazwischen runde Fragmente, Kipfelartige Gebilde, kreisrund, dreieckig, wurm- und Klappmesserartig, allesamt als wären sie
Planeten eines zerfallenen Systems. Nichts fügt sich, alles fügt sich, jedes für sich, alles in einem, alles widersetzt sich einem Sinn.
Der Ton, ursprünglich formbar und erdig, ist hier zum feuerfesten Archiv des Scheiterns und Gelingens geworden. Die grelle Rotfärbung (Acrylfarbe, da schüttelt es jede Keramikerin!), die grelle
Farbe verleiht den Objekten eine künstliche Vitalität – wie Narbengewebe, das heller brennt als die umgebende Haut. Fast 100 Objekte, Hier liegt quasi das Ergebniss der Entscheidungen – jede Form
ein abgebrochener Gedanke, jede Anordnung ein verewigter Dialog. Der Ton hat sein Gedächtnis bewahrt: Fingerabdrücke werden zu Hieroglyphen des Zögerns und Rätselns. Wurden die Objekte mit dem
Finger oder einem Gegenstand durchbohrt? Die Arbeiten entstanden in fremden Ateliers, für die Künstlerin, die sich eher mit Tiefdruck, Hochdruck, Fotografie und Malerei beschäftigt, war dies
Neuland, Ton mit der Hand formen, immer neue Formen finden, keines gleicht dem anderen und letztlich brennen! Kein Objekt ist prominenter platziert als andere. Die schlangenförmige Figur zentral
in der Mitte hat denselben Status wie das unscheinbare Kugelcluster in der Ecke. Hier herrscht radikale Gleichwertigkeit des Unvollendeten. Doch so leicht wie die Installation daherkommt, so
schwer und kompliziert war es diese so aufzubauen, die Leichtigkeit zu erzeugen ist wie so oft, dass schwerste überhaupt und so ist jedes dieser Objekte ist ein Sieg – ein Sieg, ein Durchbruch
darüber, dass es nicht zerschlagen wurde, bevor es gebrannt wurde.
Und so komme ich zum Schluss, gratuliere der Künstlerin zur gelungenen Ausstellung die uns zum wiederkommen einlädt. Von den verknoteten Kabelbindern der Demonkratie, bis zu den Leuchtendroten
Tonstücken, von der apokalyptischen Schönheit bis zu den seismografischen Radierungen, Renate Quast zeigt uns mit „alles in einem“ ihren eigen Kosmos, ihre künstlerischen Gedanken zur Lage der
Welt und jedes Material – ob Spiegel, Holzschnitt oder rote Keramik, erzählt immer dieselbe Wahrheit in anderer Sprache. Die Verbindung zwischen allem Ausgestellten ist letztlich Renate selbst,
mit ihren Ideen und Empfindungen die uns lehren das jedes Fragment bereits die ganze Welt in sich trägt.
Herzlichen Dank .
Ausstellungen 2025 in der Pupille:
12. 01. bis 09.02.2025 Jahresausstellung der Kunstschaffenden
16. 02. bis 09. 03. 2025 Günther Sommer: Rituale? Rituale!
16. 03. bis 06. 04. 2025 Ulrike Holzapfel, Jochen Warth: "In the beginning"
10. 04. bis 27. 04. 2025 "Zeiten und Räume", Pupillekunsttreibende stellen in der Klosterkirche Pfullingen aus
13. 04. bis 11. 05. 2025 "Perspektivwechsel" Sebastian Lorenz
23. 05. bis 15. 06. 2025 "alles in einem" Renate Quast
27. 06. bis 27. 07. 2025 " Vom Ganzen zum Detail" Szolnoker Künstlerin Csenge Barbara Oláh zusammen mit der Stadt Reutlingen
August 2025 Ulrich Koch
September/Oktober Elke Roth
November Roswitha Zeeb und Renate
Zeeden
Dezember Ingrid Swoboda
Ausstellungen 2026 in der Pupille:
11. 01. - 08. 02. Mitgliederausstellung
15. 02. - 08. 03. Gudrun Heller-Hoffmann
17. 03. - 19. 04. Gastausstellung: große Stipendiatenausstellung Stadt Reutlingen
26. 04. - 17. 05. Hans Gunsch mit Gast Junkyu Lim
07. 06. - 28. 06. Gastausstellung: Rolf Naedler und Paolo Moretto vom Kunsthaus Begedorf, Hamburg
05. 07. - 26. 07. Gemeinschaftsausstellung von Pupille-Mitglieder zum Thema 300 Jahre Reutlinger Stadtbrand
02. 08. - 30. 08. noch offen
06. 09. - 27. 09. Regine Krupp-Mez und Wolfgang Schaller
04. 10. - 25. 10. Kirsten von Zech-Burkersroda
01. 11. - 22. 11. Ulla Frenger und Jutta Peikert und Gäste
29. 11. - 20. 12. Izumi Yanagiya
Ausstellungen 2024 in der Pupille:
14. 01. 2024 bis 11. 02. 2024 Mitgliederausstellung - "vielschichtig"
25. 02. 2024 bis 17. 03. 2024 Christine Dohms - "Lightscapes"
07. April bis 28. April 2024 Jochen Meyder "Im Dialog mit Landschaft"
05. Mai bis 26. Mai 2024 Xenia Muscat "Von
Anfang bis Ende"
02. 06. 2024 bis 30. 06.2024 Beatriz Schaaf-Giesser "work in progress"
07. 07. 2024 bis 28. 07. 2024 Gisela List "Drucksache"
04. 08. 2024 bis 01. 09. 2024 Gastausstellung Budapester Künstler "Sensaria"
15. 09. 2024 bis 06. 10. 2024 Gabriele Seeger "Randgebiete"
25. 10. 2024 bis 10. 11. 2024 Karl Striebel "etwas bleibt"
17. 11. 2024 bis 22. 12. 2024 Brigitte Tharin "Asche - Blütenstaub des Todes"
KunstBetrieb 2024 im Albgut Münsingen - Kulturwerkstatt BT 24 01.11. - 03.11.2024
Ausstellungen 2023 in der Pupille:
Jubiläumsausstellung "momentaufnahme" 15. 01. 2023 bis 19. 02. 2023
Gudrun Heller-Hoffmann "COLOURS and STRIPES" abstrakte Fotografie 5.3. - 2.4.2023
Doris Knapp "in memoriam" 06. 04. 2023 bis 07. 05. 2023
Reinhard Köhler, Ulm "Entrückungsmaschinen" 21.05.2023 - 18.06.2023
Birgit Hartstein, "Wasserwelten" 25. 06. 2023 - 16. 07. 2023
Ulrich Koch. "wucherndes Durcheinander" 22.07.2023 bis 30.08.2023
Reutlinger Radierwerkstatt "DRUCK-FEST", 28. 09. 2023 - 23. 20. 2023
Susanne Gayler 25. 10. 2023 - 19. 11. 2023 "Zwischendrin ein
Regenbogen"
Renate Vetter "FREIES GELEIT", 26. 11. 2023 - 17. 12. 2023
KunstBetrieb 2023 im Albgut Münsingen - Kulturwerkstatt BT 24 27.10. - 29.10. 2023
Helmut Anton Zirkelbach
Uracher Str. 25
72829 Engstingen
E-Mail:helmzirkelbach[at]outlook.de
Renate Vetter
Silberdistelweg 22
72770 Reutlingen
E-Mail:renate.vetter@t-online.de
Kunstbetrieb 2022 im
Albgut Münsingen,
hier der Link zum Video:
Link zum RTF1-Fernsehbeitrag über die Ausstellung "Visionen in Weiß"
KunstBetrieb 2021 im Albgut Münsingen, Link zum Video der Vernissage:
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